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Augen zu und durch

Anmerkungen zu den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Zukunft des Zivildienstes

Peter Tobiassen*

Vom 4. Mai bis 14. September 2000 haben 16 Fachleute unter der Leitung des Bundesbeauftragten für den Zivildienst in der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes" zusammengesessen. Dreierlei war bei den Zusammenkünften besonders wichtig. Erstens: „Wir nehmen alles, was andere diskutieren, nicht zur Kenntnis." Zweitens: „Wir machen weiter wie bisher." Und drittens: „Wir sichern in der aufgeblähten Zivildienstverwaltung unnötige Arbeitsplätze." Kurz gefasst: Herauskommen konnte also nichts, schon gar nichts zur „Zukunft des Zivildienstes".

Fehlende Analyse der tatsächlichen Situation

Offensichtlich wurde es unterlassen, eine Analyse der tatsächlichen Verhältnisse im Zivildienst vorzunehmen. Damit fehlt das Wichtigste, was nötig ist, wenn Empfehlungen für die Zukunft gegeben werden sollen. Die im Abschlussbericht abgedruckten Tabellen mit Zahlen zum Zivildienst sind als Orientierung für Außenstehende ohne Zweifel hilfreich. Sie sagen aber nichts darüber aus, bei welchen sozialen Dienstleistungen es zu Engpässen kommen könnte, wenn die Zivildienstdauer verkürzt oder die Zahl der besetzbaren Plätzen verkleinert würde.

Nehmen wir als Beispiel die stationäre Betreuung alter Menschen, also den Einsatz Zivildienstleistender in Altenpflegeheimen. Wie viele der zur Zeit in „Pflege- und Betreuungsdiensten" eingesetzten 70.222 Zivildienstleistenden sind in Altenpflegeheimen eingesetzt, wie viele davon wiederum tatsächlich in der Pflege? Wie hoch ist ihr Anteil am Gesamtpersonal in den jeweiligen Bereichen der Einrichtungen? Wie lang ist die Mindestarbeitszeit, die eine Mitarbeit in diesem Bereich überhaupt möglich macht? Ab welcher Mindestarbeitsdauer macht ein Einsatz ökonomisch (k)einen Sinn (mehr)? Bei welcher Dienstdauer wird die Mitarbeit wegen des zu häufigen Wechsels für die betreuten Menschen nicht mehr zumutbar? Und auf der anderen Seite: Wie viele Arbeitssuchende sind bei den Arbeitsämtern gemeldet, die an Arbeitsplätzen in diesen Einrichtungen interessiert sind? Werden genügend Menschen für die Arbeit in Altenpflegeeinrichtungen ausgebildet? Ist ein Ersatz wegfallender Zivildienstleistender durch andere Kurzzeitmitarbeiter wie Auszubildende, Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr oder Ehrenamtliche möglich? Welche finanziellen Auswirkungen sind zu erwarten, wenn Zivis durch Hauptamtliche ersetzt werden? Welche Kostenträger finanzieren die Arbeit in Altenpflegeheimen? Wie finanzieren sich die Kostenträger - über Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern?

Diese und weitere Fragen lassen sich für alle Arbeitsbereiche, in denen Zivildienstleistende tätig sind, stellen und selbstverständlich auch beantworten. In manchen Bereichen liegen Analyse und Antworten sogar schon vor - von der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes" wurden sie aber eisern nicht zur Kenntnis genommen.

So hat eine entsprechende Analyse ergeben, dass für die meisten der 6.425 Zivildienstplätze im „Krankentransport und Rettungsdienst" das „Aus" schon absehbar ist. Das Deutsche Rote Kreuz ist seit einem Jahr, seit die Verkürzung des Zivildienstes auf elf Monate beschlossen ist, dabei - ganz konkret und ohne Subventionen aus dem Bundeshaushalt - Zivildienstplätze in reguläre Arbeitsplätze umzuwandeln. Elf oder weniger Monate Gesamtdienstdauer bei einer mindestens dreimonatigen Ausbildung rechnen sich nicht. Offensichtlich wider besseres Wissen erklärt die Arbeitsgruppe in den Schlussbemerkungen, die Konversion des Zivildienstes sei ein „wünschenswerter und interessanter Weg", der allerdings voraussetze, „dass die staatlichen Haushaltsmittel für den Zivildienst grundsätzlich zur Subventionierung" zur Verfügung stünden - aber das sei nicht der Fall. Mit dieser Formulierung erklären die Arbeitsgruppenmitglieder sogar explizit: Wir wollen keine regulären, tarifliche bezahlte Arbeitskräfte. Sie erklären das vor dem Hintergrund, dass es inzwischen eine ganze Reihe von Beispielen für eine erfolgreiche Konversion gibt, nicht nur beim Deutschen Roten Kreuz, sondern auch in Krankenhäusern oder in der Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung.

Auch das Deutsche Jugendherbergswerk macht sich unabhängiger vom Zivildienst. „Ausbildungsplätze statt Zivildienstplätze" heißt dort das Motto. In einigen Jugendherbergen sind Zivildienstplätze in Ausbildungsplätze für Berufe im Hotel- und Beherbergungswesen umgewandelt worden.

Im Bereich der „Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung von Kindern" werden längst Zivildienstplätze in Stellen des Freiwilligen Sozialen Jahres umgewandelt.

Es ist nicht zu verstehen, warum die vielfältigen Konversionsmöglichkeiten in dem Bericht der Arbeitsgruppe nicht einmal erwähnt werden, geschweige denn als konkrete Schritte begrüßt werden.

Noch weniger zu verstehen ist, dass die sehr unterschiedlichen Vorschläge, die in den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege in den letzten Monaten zur Zukunft des Zivildienstes erarbeitet worden sind, keine Erwähnung finden. Offensichtlich hat es niemand für nötig gehalten, diese Anregungen zum Umgang mit dem verringerten Zivildienst auch nur zu erwähnen. Oder kannte etwa der „Direktor für Diakonische Dienste" des Diakonischen Werkes das gar nicht, was Fachleute aus seinem Verband empfehlen. Hat der „Leiter der Abteilung Soziales und Gesundheit" die Empfehlung seines Caritas-Verbandes verschlafen oder der „Referent für Behindertenhilfe/chronische Erkrankungen" die ausgefeilten Empfehlungen des Paritätischen Wohlfahrtverbandes? Wohl kaum. Diese beachtlichen Vorschläge hätten aber ein „Weitermachen wie bisher" erheblich gestört.

Fehlende Analyse der Vorgaben des Bundesministers der Verteidigung

Ein Streitpunkt in der Arbeitsgruppe war offensichtlich die Entwicklung des Grundwehrdienstes, an der sich die Entwicklung des Zivildienstes orientieren muss. Die Stellungnahme von Lothar Judith (DGB) und Ulrich Finckh (Zentralstelle KDV) zeigt das deutlich. Während die Arbeitsgruppenmehrheit im „Weitermachen wie bisher" verharrt und die konkreten Angaben im Planungspapier des Verteidigungsministers ignoriert, analysieren beide diese Vorgaben.

Sie unterscheiden zwischen den politischen Schönwetterreden der Hardthöhe und den im „Eckpfeiler-Papier" veröffentlichten Fakten. Was in Sonntagsreden noch „allgemeine Wehrpflicht" genannt wird, ist faktisch zu einer „Auswahlwehrpflicht" geworden. Anders lassen sich 77.000 Dienstposten für Grundwehrdienstleistende, 430.000 Männer pro Geburtsjahrgang und eine Wehrdienstdauer von mehr als vier Monaten nicht unter einen Hut bringen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass bei einem Anteil von etwa 40 Prozent Kriegsdienstverweigerern an den tauglich Gemusterten sich dieses Verhältnis auch bei den Gesamteinberufungen zu Wehr- und Zivildienst widerspiegeln muss, wenn man von Gleichbehandlung reden will. Wenn sich die tauglich Gemusterten zu über 60 Prozent für den Wehrdienst und zu weniger als 40% als Kriegsdienstverweigerer für den Zivildienst entscheiden, dann müssen sich die zu besetzenden Dienstplätze auch in 60 Prozent für Grundwehrdienstpflichtige (gleich 77.000 Dienstposten, Vorgabe „Eckpfeiler-Papier") und 40 Prozent für Zivildienstpflichtige (gleich 52.000 Dienstplätze) teilen, wenn man Gleichbehandlung will. Allerdings hätte die Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstpflichtigen erhebliche Veränderungen im Zivildienst zur Folge. Das „Weitermachen wie bisher" wäre also gestört worden.

Die Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes" empfiehlt deshalb für das Jahr 2002 nicht die Besetzung von 52.000, sondern von 117.000 Dienstplätzen und damit eine grobe Benachteiligung der Kriegsdienstverweigerer. Ob die rot-grüne Regierung diesem Vorschlag folgt oder aber das Benachteiligungsverbot in Artikel 3 Grundgesetz ernst nimmt, wird sich zeigen. Zu Recht weisen die Vertreter der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer und des Deutschen Gewerkschaftsbundes darauf hin, dass die von der Mehrheit empfohlene Dienstplatzbesetzung mit Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstleistenden nichts mehr zu tun hat und deshalb keine realistische Planungsgröße sein kann.

Neue Heranziehungsregelungen...

... erschweren die Arbeit der sozialen Einrichtungen, sichern aber durch höheren Verwaltungsaufwand die Arbeitsplätze in der staatlichen Zivildienstverwaltung

An zwei Stellen möchte die Arbeitsgruppe vom „Weitermachen wie bisher" abweichen. Sie schlägt

ein bürokratisierteres und unflexibleres Einberufungsverfahren zum Zivildienst vor, um die Arbeitsplätze in der Zivildienstverwaltung zu sichern, und

einen „Anderen Dienst im Inland", in dem Zivildienstpflichtige länger und für weniger Geld „freiwillig" dienen können, um in bestimmten Bereichen die kürzere Dienstzeit der Zivildienstleistenden auszugleichen.

Das neue Heranziehungsverfahren

Die Arbeitsgruppe empfiehlt, zukünftig allen Dienstpflichtigen, die sich nicht innerhalb von drei Monaten nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer einen Zivildienstplatz suchen, ein Ankündigungsschreiben für die Heranziehung zum Zivildienst zu übersenden, in dem ein verbindlicher Dienstantrittstermin vorgeschrieben ist. Damit wird das Bundesamt für den Zivildienst - anders als seit Jahren bewährt - künftig massiv in die Planungshoheit der Zivildienststellen eingreifen, um die Verwaltungsarbeit für die Beamten und Angestellten im Bundesamt und in der Veraltungsstellen der Wohlfahrtsverbände gleichmäßiger über das Jahr zu verteilen. Offensichtlich ist es den AmtsleiterInnen unangenehm, im Sommer, wenn wegen Schul- und Ausbildungsende besonders viele Dienstpflichtige den Zivildienst antreten können, Urlaubsbeschränkungen für ihre MitarbeiterInnen anzuordnen. Die so genannten „verbindlichen Vorankündigungstermine", die von den Zivildienststellen strikt zu beachten sind, werden erhebliche Folgen für die kontinuierliche Bereitstellung sozialer Dienstleistungen haben. Was das in der Praxis bedeutet, ist leicht absehbar. Eine Zivildienststelle, die einen Zivi für den Einsatz in der Altenpflege zum 1.9. sucht, findet den geeigneten Mann, einen ausgebildeten Altenpfleger. Allerdings hat dieser vom Bundesamt wegen der gleichmäßigeren Auslastung der Beamten einen verbindlichen Einberufungstermin zum 1.11. bekommen. Die Maßnahme hat eine gute und eine schlechte Folge. Die gute zuerst: Die Beamten im Bundesamt werden gleichmäßiger ausgelastet und arbeiten zufriedener. Da freut sich der Präsident des Amtes (auch er war Mitglied der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes"). Und nun die schlechte Nachricht: „Oma Meyer" bleibt zwei Monate unversorgt. Aber sie freut sich schon ein bisschen, weil ihr Zivi ja schon bald kommt und sogar eine richtige Ausbildung hat.

Um die Arbeitsplätze in der Zivildienstverwaltung nicht nur zu sichern, sondern auch noch auszubauen, empfiehlt die Arbeitsgruppe eine weitere bürokratische Maßnahme. Bereits bekannte Daten sollen in einem möglichst aufwendigen Verfahren noch einmal erhoben werden. Alle Dienstpflichtigen sollen zukünftig zwischen KDV-Antrag und Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom Bundesamt einen Fragebogen zur weiteren Ausbildungs- und Lebensplanung erhalten, damit die „verbindlichen Vorankündigungstermine" so festgelegt werden kann, dass sie sich sinnvoll in die Lebensplanung der Dienstpflichtigen einpassen (Das klingt doch richtig gut.). Dass diese Daten bereits bei der Musterung aufgenommen und Bestandteil der Personalakte sind, die dem Bundesamt vorliegt, verschweigt die Arbeitsgruppe. Wenn Versand und Auswertung der Fragebogen für über 140.000 Verweigerer pro Jahr ernsthaft durchgeführt werden soll, werden durch die Empfehlung, das Heranziehungsverfahren zum Zivildienst auf diese Weise zu regeln, mindestens 100 Beamtenstellen im Bundesamt für den Zivildienst gesichert. Der Preis dafür sind nicht nur ein höherer Verwaltungskostenanteil bei der Durchführung des Zivildienstes, sondern auch die geringere Flexibilität für die Zivildienststellen bei der Planung ihrer Arbeit.

Weder der Fragenbogen noch die „verbindlichen Vorankündigungstermine" sind nötig, weil der „Dienststellen-Markt", nämlich die Zivildienststellen vor Ort, die angesprochenen Fragen von ganz alleine regelt. Noch nie haben Zivildienstpflichtige bestimmen können, wann eine Einrichtung ihre Zivildienstplätze besetzt. Dienstplätze werden zu bestimmten Terminen frei und müssen wegen der kontinuierlichen Bereitstellung sozialer Dienstleistungen durchgängig besetzt werden. Für diese freiwerdenden Plätze sowie für den zugehörigen Zeitpunkt werden Dienstleistende gesucht. Ich kenne keine Einrichtung, die einen Dienstleistenden früher oder später nimmt, nur weil der sich das so wünscht. Da zukünftig die Plätze alle zehn, neun oder gar sieben Monate - je nachdem, wie der Verteidigungsminister die Wehrdienstdauer festlegt - besetzt werden müssen, wird sich schnell eine Verschiebung rund ums Jahr ergeben, von ganz allein, ausschließlich gesteuert durch Notwendigkeiten, die sich aus der nötigen Kontinuität sozialer Arbeit ergeben. „Gute" Dienststellen werden auch weiterhin kontinuierlich ihre Dienstplätze besetzen können, „schlechte" werden eher Nachbesetzungsprobleme haben. Bei den vorgeschlagenen Änderungen für das Einberufungsverfahren geht es wirklich nur um mehr Bürokratie und nicht um die Verbesserung des Zivildienstes.

Entlarvend ist, dass die empfohlene Neuregelung des Einberufungsverfahrens nicht zuende gedacht ist. Ausweislich der „Übersicht der Verfahrensvorschläge für die Heranziehung" empfiehlt die Arbeitsgruppe, zum Zivildienst nur noch diejenigen einzuberufen, die sich freiwillig einen Zivildienstplatz suchen. Für eine Einberufung ist nach dem Schema immer Voraussetzung, dass der Dienstpflichtige selbst einen Zivildienstplatz vorschlägt. Schlägt er nichts vor, ist eine Einberufung nicht mehr vorgesehen. Jedenfalls fehlt in dem Schaubild am Schluss die Rubrik: „Wird keine Einverständniserklärung bis zum Ablauf der Frist vorgelegt, erfolgt die Einberufung von Amts wegen." Warum das Einberufungsverfahren nicht zuende gedacht werden konnte, wird aus den Statistiken im Bericht deutlich. Von 188.427 Dienstplätze können nur 8.725 ohne Zustimmung der Einrichtung direkt durch das Bundesamt für den Zivildienst besetzt werden - jedenfalls auf dem Papier. In der Praxis sind es vermutlich noch viel weniger: Meines Erachtens können höchstens 2.000 Dienstpflichtige, die sich weigern, eine Stelle für ihre Einberufung vorzuschlagen, zwangseinberufen werden.

Im Jahre 2001 sollen nach der Empfehlung der Arbeitsgruppe 134.000 Dienstpflichtige einberufen werden. Wenn sich nur jeder Zehnte keine Stelle sucht, sind 13.400 Dienstpflichtige zwangseinzuberufen - auf 2.000 tatsächlich vorhandene Plätze. Geändert werden kann das nur, wenn die Wohlfahrtsverbände bereit sind, für Zwangszuweisungen geeignete Plätze zur Verfügung zu stellen. Wenn sich nur 10% nicht freiwillig einen Zivildienstplatz suchen, müssen das Diakonische Werk oder der Paritätische Wohlfahrtsverband jeweils über 2.500 dienstunwillige Zivis unterbringen. Dass die Vertreter dieser Verbände in der Arbeitsgruppe so etwas nicht denken mochten, ist vor dem Hintergrund des entstehenden Ärgers mit ihren nachgeordneten Einrichtungen nur zu verständlich.

Neue Form der Zivildienstleistung „Anderer Dienst im Inland"

Ausgehend von der Frage, wie es erreicht werden kann, dass Dienstleistende den Einrichtungen wieder mindestens zwölf Monate zur Verfügung stehen, wurden offensichtlich verschiedene Modelle beraten, die sich alle als ungeeignet erwiesen. Selbst der „Andere Dienst im Inland", der jetzt empfohlen wurde, wird kaum der „Renner" bei den Dienstpflichtigen werden. Er soll ausschließlich in anerkannten Beschäftigungsstellen des Zivildienstes geleistet werden dürfen, soll zwei Monate länger als der Zivildienst dauern und wird im Monat etwa 100 DM schlechter bezahlt als der Zivildienst. Die Botschaft an die „jungen Männer", die für soziales Engagement in dieser Gesellschaft gewonnen werden sollen, ist für die Jugendministerin, die diesen Vorschlag bereits übernommen hat, einfach: „Jungs, ihr dürft zwei Monate länger schuften, dafür gebe ich aber jeden Monat 100 DM weniger." Ob Jugendliche mit einer solchen Botschaft zum bürgerschaftlichen Engagement ermuntert werden können?

Diese Zweifel hatten wohl auch die Arbeitsgruppenmitglieder. Deshalb wünschen sie, dass die Stellen des „Anderen Dienstes im Inland" mit besonderen Qualifizierungsangeboten ausgestattet werden: Anrechenbarkeit auf Berufsausbildung, umfangreiche Fortbildungsangebote, Computer-, Sprach- und Schweißerkurse oder - wie bei den Soldaten - der LKW-Führerschein auf Staatskosten. Das könnte für junge Männer - Frauen müssen bei Regelungen für Zivildienst ja ausgeschlossen bleiben - schon eher interessant sein. Allerdings hat die Sache einen Haken. Wer sich bildet oder wer ausgebildet wird, kann nicht gleichzeitig mit vollem Einsatz arbeiten. Damit ist das ursprüngliche Ziel, Arbeitskräfte in bestimmten Bereichen des Zivildienstes für zwölf Monate zu haben, nicht mehr erreichbar. „Nicht zu Ende gedacht!", kann man der Arbeitsgruppe nur hinterher rufen.

Dabei ist der Ansatz doch ganz brauchbar. Neue Möglichkeiten für freiwillige Mitarbeit auf Zeit zu schaffen, ist jugendpolitisch durchaus wichtig. Aber warum wird das Geld, das jetzt im Zivildiensthaushalt für neues bürgerschaftliches Engagement locker gemacht wird, nicht dort eingesetzt, wo alle - auch Frauen - davon profitieren können, nämlich im Freiwilligen Sozialen und Ökologischen Jahr. Außerdem wären diese Angebote nicht „wehrpflichtabhängig". Der „Andere Dienst im Inland" wird, weil er im Zivildienstgesetz verankert und nur Ersatz des Ersatzes für den Wehrdienst ist, in naher Zukunft mit der Wehrpflicht ersatzlos von der jugendpolitischen Bühne verschwinden. Warum nicht schon heute Geld innerhalb des Ministeriumshaushalts von der Titelgruppe „Zivildienst" in die Titelgruppe „Freiwilligendienste" verschoben wird, kann nur am mangelnden politischen Willen der rot-grünen Regierung liegen. Warum wird, wenn man im Zivildienst wie bei der Bundeswehr nicht alle Dienstpflichtigen einberufen kann (Begrenzung der zu besetzenden Dienstplätze bei der Bundeswehr auf 77.000 und im Zivildienst auf 52.000), nicht derjenige, der ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr geleistet hat, einfach hintenan gestellt und in der Praxis nicht mehr einberufen.

Nicht zuende gedacht ist auch ein weiterer Aspekt. Der „Andere Dienst im Inland" wird überall dort, wo sich Zivildienstpflichtige dafür finden, Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr verdrängen, weil die Zuschüsse des Bundes für diesen Dienst höher sein werden als die Landeszuschüsse für das Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr. Statt einer Erweiterung des Angebotes für Jugendliche empfiehlt die Arbeitsgruppe einen Verdrängungsprozess zugunsten des von der Wehrpflicht abhängigen „Anderen Dienstes im Inland". Diese Abhängigkeit wird sich bei Wegfall der Wehrpflicht als fatal erweisen.

Fazit

Wer den Bericht der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes" liest, merkt mit jeder Zeile, dass es der Gruppe gar nicht um die Zukunft des Zivildienstes ging, sondern um die Wahrung der Besitzstände. Den Wohlfahrtsverbänden ging es um die Sicherung billiger Arbeitskräfte und dem Ministerium um die Erhaltung von möglichst viel Bürokratie, die Planstellen und Haushaltsmittel bindet und damit sichert. Wer sich künftig mit der Zukunft des Zivildienstes befasst, muss den Bericht der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes" nicht extra wieder aus dem Altpapier herauskramen.

*) Peter Tobiassen ist Geschäftsführer der Zentralstelle KDV. Der Beitrag erscheint in der Ausgabe 4/2000 der Fachzeitschrift „4/3".


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