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Das Bundesministerium der Verteidigung täuscht die Öffentlichkeit nicht zum ersten Mal

In den „Eckpfeilern" von Bundesminister Scharping („Die Bundeswehr - sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf") sind sowohl die Angaben über die Ausschöpfung der Jahrgänge und damit die Wehrgerechtigkeit als auch die Behauptung, der Grundwehrdienst dauere 9 Monate, unrichtig. Das setzt eine unrühmliche Tradition fort.

Im Prozess über das „Postkartengesetz" hat das Verteidigungsministerium 1977 die statistische Basis der Kriegsdienstverweigerungsanträge heimlich verändert. Bis dahin wurden alle KDV-Anträge erst nach Abschluss des Musterungsverfahrens mit Eingang beim Prüfungsausschuss registriert. So lange blieben sie unregistriert liegen, und alle Anträge von Kriegsdienstverweigerern, die untauglich waren oder andere Wehrdienstausnahmen geltend machen konnten, wurden aussortiert und nie gezählt. Durch die heimliche Umstellung der Zählung wurde eine Verweigererflut vorgetäuscht, denn jetzt wurden alle Anträge (also auch die bisher nicht registrierten) sofort (mit einem entsprechenden Zeitraffereffekt) gezählt. So konnten selbst Anträge von kleinen Kindern, Untauglichen etc. in die Statistik eingehen. Das Bundesverfassungsgericht zog wegen der vorgetäuschten sprunghaften Zunahme der KDV-Anträge die Notbremse mit einer einstweiligen Anordnung. Der damalige Verteidigungsminister Georg Leber widersprach nicht - vermutlich war er von seinem eigenen Ministerium getäuscht worden. Dass die Ministerialbürokratie wusste, welchen Betrug sie organisierte, ergibt sich daraus, dass der Leiter des Kreiswehrersatzamtes Recklinghausen förmlich remonstriert hatte: „Wenn wir das tun und es kommt raus, wird man es uns als statistischen Betrug um die Ohren hauen!" Er hatte darauf hingewiesen, dass die neue Zählung nicht mit der bisherigen vergleichbar ist. Aber er wurde angewiesen, so zu verfahren.

Auch im Verfahren über das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungs-Gesetz 1984/85 wurde das Bundesverfassungsgericht statistisch betrogen. Um die Verlängerung des Zivildienstes um ein Drittel gegenüber dem Grundwehrdienst zu rechtfertigen, wurden Statistiken über die Wehrdienstzeiten vorgelegt. Dabei wurde in der Bundeswehr die gesamte mit Dienstplan geregelte Anwesenheit einschliesslich Mahlzeiten, Ankleiden, Waschen, Stubenreinigen etc. voll angerechnet. Manche Dienste wurden doppelt gezählt, z.B. Tage auf See bei der Marine, Manöverzeiten, Truppenübungsplatz-Aufenthalte, Wachdienste. In diesen Fällen gab es zusätzlich zum Dienstplan Zeitgutschriften von 24 Stunden für jeden Tag. Im Zivildienst dagegen wurden nur die laut Tarifvertrag anrechenbaren Arbeitszeiten gezählt, d. h. Bereitschaftsdienste wurden nur zum Teil angerechnet; auch Pausen, Mahlzeiten und Tätigkeiten in der Unterkunft wurden nicht gezählt. Zeitgutschriften gab und gibt es im Zivildienst nicht. Die Zeiten waren also nicht vergleichbar, das Verfassungsgericht wurde betrogen.

Auch eine weitere Statistik war 1984/85 falsch. Neben den Wochendienstzeiten wurden die Wehrübungen als Grund zur längeren Dauer des Zivildienstes angegeben. Einerseits wurde von ganz langen Übungszeiten berichtet, aber verschwiegen, dass das freiwillige Übungen von Reservisten waren, die höhere Dienstgrade erreichen wollten. Überhaupt wurden die Wehrübungen der freiwillig länger dienenden Soldaten (Vorgesetzte, Spezialisten - mit Zivildienstleistenden also nicht vergleichbar) mitgezählt. Zudem wurde behauptet, die 5.000 Dienstposten für Reservisten würden verdreifacht. Die klagenden SPD-Länder und die SPD-Bundestagsfraktion bezweifelten den angekündigten Ausbau der Wehrübungen wegen der hohen Kosten. Das Verteidigungsministerium beharrte aber auf seiner Ankündigung von demnächst 15.000 Wehrübungsdienstposten. Als die SPD-Klage abgewiesen war, wurden dann aber die vorhandenen 5.000 Plätze für Wehrübende nicht erhöht, sondern laufend verringert. Das Verfassungsgericht war belogen worden.

Die jetzige Argumentation mit künftigen Wehrübungen, um auf 9 Monate Grundwehrdienst zu kommen, erinnert fatal an diese Lüge. Unklar ist nur, ob das Ministerium, wie wohl 1977, den eigenen Minister täuscht, oder ob der studierte Politologe Rudolf Scharping weiß, dass seine Angaben falsch sind.

Wir wissen, dass Tarnen und Täuschen zur militärischen Taktik gehört. Aber spätestens gegenüber dem Parlament und dem Bundesverfassungsgericht darf das nicht sein.

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