Asyl für Kriegsdienstverweigerer
Bischof i.R. Dr. Christoph Demke
Bundesvorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK).
Es gilt das gesprochene Wort!
Verehrter Herr Bundestagspräsident!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Liebe Freundinnen und Freunde des Menschenrechtes auf Kriegsdienstverweigerung!
Ich möchte zuerst Ihnen, Herr Präsident, herzlich danken, daß Sie mit diesem Empfang nicht nur Ihre persönliche Aufmerksamkeit für den "Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung" dokumentieren, sondern auch dem Anliegen dieses Tages in der Öffentlichkeit zur Aufmerksamkeit verhelfen. Wir können uns in der Bundesrepublik Deutschland, denke ich, glücklich schätzen, daß das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz so klar in den Grundrechten verankert ist, daß damit eine gute Grundlage für die freiheitliche Gestaltung dieses Menschenrechtes besteht. Das ist auf dem Hintergrund deutscher Vergangenheit und aufgrund des Friedensauftrages des Grundgesetzes mehr als verständlich. Eine nur eingrenzende, gewissermaßen nörgelnde Ausgestaltung und ein engherziger Umgang mit diesem großartigen Freiheitsrecht würde diesen Zusammenhang verdunkeln. Deswegen gilt ein besonderer Dank den Parlamentariern und der Bundesregierung, die die gesetzgeberische Initiative zur Angleichung der Dauer des Zivildienstes an die Dauer des Grundwehrdienstes für Wehrpflichtige ergriffen haben. Die Verkürzung des Zivildienstes auf 11 Monate ist ein deutlicher Schritt zu etwas mehr Gerechtigkeit, wobei freilich viele Zivildienstleistende weiterhin eine Benachteiligung gegenüber dem 10monatigen Grundwehrdienst empfinden.
In der Tat bleiben für die Ausgestaltung dieses Grundrechtes wichtige Aufgaben, von denen ich zwei wenigstens nennen möchte:
- Die Nichtanerkennung der sog. totalen Verweigerung: Ist es so schwer, für diejenigen, die den bestehenden zivilen Ersatzdienst wegen seiner Einbindung in die Militärgesetzgebung und damit in die militärische Gesamtverteidigung ablehnen, eine alternative Friedensarbeit jenseits der Wehrgesetze zu ermöglichen?
- Die sogenannte situationsbezogene Dienstverweigerung: Auch wer als Soldat in einer bestimmten Situation Gewissensbedenken gegen einen (völker-)rechtswidrigen Militäreinsatz oder den Einsatz bestimmter Waffen geltend macht, muß die Chance der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer haben. Gerade im Blick auf die Entwicklung zu einer Freiwilligen- bzw. Berufsarmee kommt dieser Frage besondere Bedeutung zu.
"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden". Dieser fundamentale Satz des Grundgesetzes kann ebensowenig wie der erste Satz der Grundrechte eingeschränkt werden, etwa auf deutsche Staatsbürger. Vielmehr verpflichtet uns diese Aussage unseres Grundgesetzes, einzutreten für alle, die solchem Zwang unterworfen sind, damit sie gleiche Freiheitsrechte erfahren. Ich denke hier z.B. an die Charta der Grundrechte für die Europäische Union. Der Satz aus Artikel 4 (3) GG verpflichtet uns aber akut, uns für diejenigen einzusetzen, die sich als Kriegsdienstverweigerer in Krisen- und Konfliktgebieten dem Zwang zum Militärdienst entziehen.
Damit bin ich beim Hauptthema dieses Empfanges: Das Recht auf Asyl für Kriegsdienstverweigerer und Fahnenflüchtige (Deserteure) aus Ländern, die dieses Freiheitsrecht der Kriegsdienstverweigerung nicht anerkennen - trotz einschlägiger Empfehlungen der UN-Menschenrechtskommission, des Europarates und des Europaparlamentes. Diese betonen seit Jahren den Menschenrechtscharakter der Kriegsdienstverweigerung als Bestandteil der Gewissensfreiheit. Und für die Bundesrepublik müßte gelten: Wenn tatsächlich "niemand" gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf, dann müßten eigentlich alle Asylanträge von Menschen, die als Verweigerer zu uns kommen, weil ihnen in ihrer Heimat das Menschenrecht der Kriegsdienstverweigerung vorenthalten wird, anerkannt werden, und zwar schon allein aufgrund ihrer Erklärung.
Viele Regierungen ignorieren die Empfehlungen der internationalen Organisationen - wie z. B. die Regierung des EU-Beitrittskandidaten Türkei. Sie scheuen allem Anschein nach das Risiko, daß die staatlich erwünschte Militärgewalt durch das Recht von Bürgern auf persönlichen Gewaltverzicht infrage gestellt werden könnte. Sie verkennen die friedensfördernden Anstöße persönlichen Gewaltverzichtes und unterdrücken sie. Leider wird dies - auch im Rahmen der europäischen Institutionen und deren Menschenrechtsarbeit - viel zu wenig thematisiert, geschweige denn, daß ein freiheitliches Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu einem Kriterium für Verhandlungen über neue rechtliche Vereinbarungen gemacht würde. Die Auswirkungen dieser Unterlassung sind dann auch im Asylrecht festzustellen, wenn z.B. der "Gemeinsame Standpunkt der Europäischen Union" vom 4. März 1996 ausdrücklich feststellt, daß "die Furcht vor Bestrafung wegen Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls oder Fahnenflucht ... allein nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen" kann. Mit dieser politischen Vorgabe bleibt Deutschland für verfolgte Kriegsdienstverweigerer und Deserteure geschlossen, wenn sie nicht zusätzlich weitere asylerhebliche Gründe vorweisen können. Das halten wir für ungerecht, das ist widersinnig angesichts der Aufforderung zu desertieren, die die NATO im Kosovo-Krieg an die serbischen Soldaten richtete. Das steht nicht im Einklang mit den Beschlüssen von Europarat und Europaparlament, die die Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren mehrfach gefordert, ja sogar angemahnt haben.
Im Einvernehmen mit anderen in der Zentralstelle KDV zusammengeschlossenen Verbänden setzt sich die von mir vertretene Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) deshalb politisch dafür ein, daß die Bundesrepublik Deutschland darauf hinwirkt, den guten Beschlüssen europäischer Institutionen adäquate politische Vorgaben der europäischen Asylpolitik folgen zu lassen. Das legen nicht nur friedensethische Gründe nahe, auch unsere Geschichte verpflichtet uns dazu, auch die Aussagen des Grundgesetzes, das die Bundesrepublik Deutschland in Pflicht nimmt, "dem Frieden der Welt zu dienen". Der Einsatz für das Menschenrecht Kriegsdienstverweigerung kommt dieser Friedensverpflichtung nach. Dieser Empfang, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, ganz sicher ebenfalls.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. -----
Bischof i.R. Dr. Christoph Demke, c/o Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der
Kriegsdienstverweigerer (EAK), - Bundesvorstand - Carl-Schurz-Straße 17, 28209 Bremen
Tel.: 0421/34 40 37; Fax: 0421/349 19 61; email: eak-brd@t-online.de
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