Zivildienst schadet dem Arbeitsmarkt
Fehlleitung von Ressourcen/Soziale Dienste brauchen mehr Professionalisierung
Süddeutsche Zeitung, 13.8.1999
von Prof. Dr. Klaus Zimmermann
Was für eine Diskussion: Die Arbeitslosigkeit verharrt auf schwindelndem Niveau. Da wird eine Verlagerung von Erwerbsarbeit auf ehrenamtliche Bürgerarbeit angeregt. Die Vorstellung, Bürgerarbeit zu fördern, um die Schaffenskraft der Menschen umzuleiten oder Zeiten von Arbeitslosigkeit sinnbringend zu füllen, droht uns in eine Sackgasse zu führen. Ein Musterbeispiel dafür ist die Debatte um den Zivildienst. Zivildienstleistende scheinen unverzichtbar, weil man ihnen nicht viel Geld bezahlen muss. Alternative Kräfte vom Arbeitsmarkt scheinen nicht vorhanden zu sein, weil das Lohnniveau (auch bedingt durch den Zivildienst) niedrig ist. Also müsse, so die Argumentation in den Wohlfahrtsverbänden, rasch Bürgerarbeit mobilisiert werden, sollte der Gesetzgeber die Ersatzdienstzeiten herabsetzen.
Kann man wirklich glauben, der Arbeitsmarkt sei gerade hier nicht ergiebig? Bürgerarbeit muss marktfähig gemacht werden, anständige Jobs müssen entstehen. Im beschäftigungsintensiven Dienstleistungssektor, etwa bei der freien Wohlfahrtspflege - und hier insbesondere im Gesundheitswesen und bei der Alten- und Kinderbetreuung - sind erhebliche Regulierungen und Monopolisierungen zu beobachten. Sie müssen, wie auch die Monopolkommission festgestellt hat, aufgebrochen werden, wenn mehr Beschäftigung entstehen soll.
90 000 reguläre Arbeitsplätze
Was ist geschehen? Im Zuge der Sparmaßnahmen will das Familienministerium Einsparungen von 660 Millionen DM erzielen. Dies soll durch eine Verkürzung der Dienstzeiten von 13 auf elf Monate und eine Deckelung der Zahl der Zivildienstleistenden (derzeit 138.000) auf 124.000 im kommenden Jahr (110.000 im Jahr 2003) sowie eine größere Beteiligung der Dienststellen an den Kosten erreicht werden - etwa 30 Prozent an den Geldbezügen statt 25 Prozent. Die Träger befürchten deshalb erhebliche Konsequenzen für ihre Arbeit, insbesondere einen Pflegenotstand.
Schwierigkeiten werden gesehen, den regulären Arbeitsmarkt zu mobilisieren, obwohl Mehrkosten beispielsweise auf die Krankenkassen verlagert werden könnten. Es ist fraglich, ob die bisherigen Regelungen so vernünftig sind.
Derzeit sind gute 55 Prozent der Zivildienstleistenden im Pflegedienst eingesetzt, 13 Prozent leisten handwerkliche Tätigkeiten, acht Prozent erfüllen mobile soziale Dienste, knapp sechs Prozent sind im Rettungswesen tätig, der Rest arbeitet in der Verwaltung oder anderswo. Ohne Frage gibt es hier Spielräume im regulären Arbeitsmarkt. Gerade die kurzen Anlernzeiten rechtfertigen die Hoffnung, dass auch Problemgruppen gewonnen werden können. Zivildienstleistende sind überwiegend junge, motivierte Abiturienten. Insoweit erscheinen die häufig hochgerechneten 90.000 reguläre Arbeitsplätze, die entstehen könnten, nicht zu hoch gegriffen.
Die kurze Anlernphase Zivildienstleistender hat aber auch noch eine andere Seite: Investitionen ins Humankapital rentieren sich immer weniger, wenn der Dienst weiter verkürzt wird. Es fragt sich, ob nicht besser das Dauerpersonal besser qualifiziert werden sollte. Grundsätzlich führt der Zivildienst zu einer Fehlleitung gesellschaftlicher Ressourcen. Die jungen Männer könnten rascher ins normale Berufsleben kommen, gemäß ihren Fähigkeiten optimaler eingesetzt werden, dadurch die Beschäftigung auch anderer fördern und Steuern zahlen. So sind die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten sicher ein Mehrfaches der 20 000 DM pro Jahr, die der Staat für jeden Dienstleistenden direkt aufbringen muss.
Ein historischer Beitrag
Die Arbeitslosigkeitsstatistik und das Ausbildungs- und Einstellungsverhalten der Dienststellen begründet die Vermutung, dass der Zivildienst eben nicht arbeitsmarktneutral ist, wie es der Gesetzgeber fordert, sondern den Ausbau des Dienstleistungssektors behindert. Die Abschaffung des Dienstes würde nicht nur die bisherigen Träger zur Professionalisierung zwingen, sondern auch den Wettbewerb durch private, gewinnorientierte Träger fördern, der bisher verhindert wird.
Der historische Beitrag des Zivildienstes für die Gesellschaft ist unbestritten. Er ist aber in anderen Zeiten konzipiert worden. Heute herrscht große Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer übersteigt die der Wehrdienstleistenden. Nur ein Teil jedes Jahrganges erfüllt seine Pflichten als Soldat oder im Zivildienst, mit fallender Tendenz. Die Argumente für eine Berufsarmee gewinnen auch angesichts der internationalen Aufgaben an Bedeutung und damit auch eine Konversion des Zivildienstes.
Auch aus Sicht des Arbeitsmarktes ist das richtig. Diese Feststellung entlässt den Staat nicht aus der Pflicht zur Förderung sozialer Dienst. Er kann dies aber besser durch eine neue Wettbewerbsordnung, angemessene Transfers (besonders an die Krankenkassen) und niedrigere indirekte Steuern für soziale Dienste erreichen.
Professor Dr. Klaus Zimmermann lehrt Volkswirtschaft an der Universität Bonn und leitet das Institut Zukunft der Arbeit (IZA).
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